Freitag, 1. April 2016

Bis ans Ende der Welt - auf nach Feuerland






Der Abschied von der Carretera Austral fiel uns nicht leicht, aber das Ziel ist nach wie vor Feuerland und das Fin del Mundo. Bis es soweit war, lagen aber noch ein paar Kleinigkeiten wie der Fitz Roy, der Perito Moreno und der Torres del Paine Nationalpark auf dem Weg und wollten erwandert bzw. bestaunt werden. Diese Highlights hatten wir bereits vor einigen Jahren als Backpacker bereist und waren gespannt, wie das mit dem Dicken im Rucksack so klappt.

Von Chilechico ging es also erstmal über die Grenze nach Argentinien und anschließend schnurstracks auf gutem Asphalt durch steppenartige Landschaft gen Süden. Ziel war der Fitz Roy nahe El Chaltén. Mit einer Übernachtung an einer ganz netten Lagune kamen wir nach zwei Fahrtagen dort an. Auf diesem Streckenabschnitt hat der patagonische Wind seinem Ruf alle Ehre gemacht. Als Norddeutsche kennen wir uns mit Wind ja eigentlich ganz gut aus, aber hier im südlichen Patagonien ist das teilweise schon ganz ordentlich. So haben wir z.B. auf der ca.90km langen Stichstraße nach El Chaltén zwei völlig verzweifelte Radfahrer getroffen, die eine Mitfahrgelegenheit brauchten, da Radfahren wirklich unmöglich schien. Von diesen „Fahrradreisenden“ haben wir auf der Carretera bereits unzählige getroffen, aber wer es hier unten im südlichen Patagonien als Fahrradfahrer mit dem Wind aufnimmt hat schon etwas Respekt verdient. Jeden Tag aufs neue gegen den Wind anzukämpfen und bei Gegenwind oft nur einen gutgemeinten 5km/h Schnitt zu schaffen zerrt schon ordentlich an den Kräften und Nerven. Dabei die Hoffnung das allgegenwärtige Rauschen des Windes irgendwann wieder aus den Ohren zu kriegen und allabendlich ein zumindest etwas windgeschütztes Plätzchen fürs Zelt zu finden... Hut ab.

Eine Sache die wir hier aber wirklich ätzend fanden, waren die vielen Vicuñas, die alle paar hundert Meter tot über dem Zaun hingen. Zum Verständnis sei gesagt, dass die Straßen hier über hunderte Kilometer komplett eingezäunt sind. Die Zäune sind vielleicht einen guten Meter hoch und bestehen aus Holzlatten, Drahtrolle und oben Stacheldraht. Wenn die Vicuñaherden die Straße queren, müssen sie also zwei dieser Zäune überspringen, was die Jungtiere oft nicht schaffen und sich im Stacheldraht verfangen. Da diese Zäune zu niedrig sind um eine Koppel zu begrenzen und ja auch keine Einbrecher abwehren sollen, macht Stacheldraht in unseren Augen keinen Sinn. Auf jeden Fall war Runa quasi in erhöhter Bereitschaft um eines der Tiere falls erforderlich.


El Chalten war gewohnt „busy“ und wir haben uns entschieden außerhalb des Ortes an dem zweiten Trailhead zu Fitz Roy zu campieren. Von dort ging es am nächsten Tag los zur Laguna de los Tres, dem Mirador für den Fitz Roy. Man sagt es gäbe Dinge, die wenn man sie das zweite Mal sieht oder tut nicht mehr an den Glanz des ersten Males herankommen – nicht so der Fitz Roy. Majestätisch und schön wie eh und je thronte er bei Königswetter über der Laguna de los Tres. Nur der steile Anstieg  zum Mirador mit dem kleinen Reiter in seiner Kraxe (wiehern findet er im Moment ziemlich Klasse und will einen damit zum Laufschritt antreiben) hatte es ordentlich in sich.










Am nächsten Tag wollten wir zur Laguna Torre wandern, was wir aber aufgrund des Regens nach einer Stunde abbrachen. Daher ging es also erst am übernächsten Tag dorthin, was sich wirklich gelohnt hat, da wir sie im Gegensatz zum Fitz Roy beim letzten Mal nicht erwandert hatten. Anschließend hatten wir außer der Eisdiele im Ort auch nichts weiter auf dem Zettel, weshalb wir nach vier Tagen weiter südwärts zum Perito Moreno fuhren.






Ausgangsort für einen Besuch des Perito Moreno Gletschers ist der Ort Calafate. Eigentlich ein ganz netter touristisch geprägter und daher sicher wohlhabenderer Ort, jedoch bekommt man hier die argentinische Wirtschaftskrise schon deutlich zu spüren. Das beginnt beim Tanken... Haben wir uns zunächst noch gefragt, was die ewig langen Fahrzeugschlangen im Ort zu bedeuten haben, wurde wenig später klar, dass die Leute für Benzin an den beiden Tankstellen im Ort anstehen. Hat mich als Ossi ja direkt an Laster mit den Apfelsinen vor Weihnachten erinnert. Genau so scheint das hier auch zu laufen. Jemand sieht den Tanklaster in den Ort fahren und vom Buschfunk getrieben fahren alle zur Tankstelle und reihen sich brav ein. Gut das es für Diesel eine extra Schlange gab die deutlich kürzer war. Aber auch einfache Dinge wie Geldabheben hat hier, selbst nachdem wir alle Automaten abgeklappert hatten, nicht funktioniert. Gut, dass wir noch Dollars gebunkert hatten.

Von Calafate ist es noch etwa 1 Stunde Fahrt zum Perito Moreno. Wir waren sehr gespannt, ob der Gletscher sich seit unserem Besuch vor vier Jahren verändert hat (in Zeiten des allgegenwärtigen Klimawandels) und das Schöne war: Er hat sich nicht verändert, da er zu den wenigen noch gesunden Gletschern gehört, die sich nicht zurückziehen oder sogar noch wachsen. Wie beeindruckend der Perito Moreno ist zeigt sich deutlich in seinen Eckdaten - knapp 5km breit, ca. 55m hoch und etwa 14km lang. Die Krönung eines Besuches hier ist es, vielleicht ein besonders großes Stück des Gletschers kalben zu sehen. Hierzu bedarf es aber schon etwas Geduld. Wir hatten Glück und haben diesmal einen wirklich großen Brocken kalben sehen, waren aber leider mit der Kamera etwas zu langsam.







Nach dem Besuch am Perito Moreno ging es am nächsten Tag wieder über die Grenze nach Puerto Natales/Chile. Hier wollten wir uns für einen längeren Aufenthalt im Torres del Paine Nationalpark mit Lebensmitteln versorgen. Als Zugabe gab es dann auch noch die erste warme Dusche seit einigen Wochen. Das war zwar deutlich kein Spa (Tankstellendusche im Ort), aber die letzte heiße Dusche hatten wir noch vor Puerto Mont und auch wenn kalt duschen/baden abhärtet und das Immunsystem stärkt, ist man irgendwann auch hart und immun genug ;). Nur Loris hat bei uns den Luxus warmer Bäder, da er als einziger in unsere große Salatschüssel passt und die sich ganz gut mit dem Teekessel temperieren lässt.

Frisch geduscht und randvoll mit Futter ging es also auf Richtung Torres del Paine Nationalpark. Der Wind hatte inzwischen ordentlich aufgefrischt und es begann zu regnen. Am Nationalparkeingang war dann leider Schluss für diesen Tag. Die Straße war gesperrt, da ein Reisebus bei dem inzwischen 110km/h Wind – in Böen sogar bis 150km/h – umgekippt ist und die Straße gesperrt war. Also haben wir direkt am Eingang geschlafen und sind erst am nächsten Morgen in den Park gefahren. Da das Wetter leider nicht besser wurde, haben wir den Tag zum Großteil im Auto verbringen müssen. Zwei Tage später herrschte dann allerdings Königswetter, was wir für eine Wanderung zum Grey Glacier genutzt haben. Da man hierbei auf eine Fähre angewiesen ist, wurde es am Ende eine wirklich langer Tag, da wir erst gegen 19:30 Uhr zurück am Auto waren. Ein Highlight war es für uns aber auf jeden Fall, da der Nationalpark, als wir vor 4 Jahren mit Zelt und Rucksack hier unterwegs waren, aufgrund von Feuern in diesem Teil gesperrt war. Dafür hatten wir damals die Torres zum Sonnenaufgang gesehen – diesmal mit dem Dicken undenkbar. Also ging es tags drauf vom Parkplatz des Refugios Las Torres los. Da das Wetter an diesem Tag nicht so mitspielte und der Mirador für die Torres gesperrt wurde, schafften wir es aber nur bis zum Refugio Chileno (einer Hütte auf etwa halbem Wege)... Mist! Da wussten wir aber noch nicht, dass wir zweieinhalb Wochen später noch einen zweiten Versuch starten und dabei gutes Wetter haben würden. Daher ging es zunächst, nach sechs Tagen im Nationalpark, weiter südwärts nach Punta Arenas.














Dort hatten wir verschiedene Dinge zu erledigen und waren am Ende drei Tage dort. Genug Zeit um die Stadt zu erbummeln und die Freihandelszone am Nordrand des Ortes zu erkunden (lohnt nicht). Übernachtet haben wir auf einem netten Wildcamp außerhalb des Ortes direkt an der Magellanstraße. Von hier aus konnte man auch wieder Delphine beobachten, was Runa ohnehin stundenlang tun könnte.

Nach Feuerland kommt man nur mittels einer Fähre durch die Magellanstraße. Wir haben uns für die Fähre bei Punta Delgada entschieden, weil sie einfach erheblich günstiger als die Fähre von Punta Arenas aus war. Dort kamen wir erst abends an und warteten am Fähranleger noch eine Viertelstunde bis wir aufs Boot konnten. Die Überfahrt dauert hier nur etwa 30 Minuten und dann liegt es vor einem, karg und windig in der untergehenden Sonne – Tierra del Fuego/Feuerland. Von hier aus brauchten wir noch zwei Tage bis nach Ushuaia – der südlichsten Stadt der Welt. Die Landschaft wechselt hier von zunächst flach und karg hin zu schneebedeckten Bergen und Wäldern im Süden Feuerlands.




Und dann war es soweit, das FIN DEL MUNDO – das ENDE DER WELT – lag vor uns. Nach 53.369 km erreichen wir den südlichsten Punkt unserer Reise. Anvisiert – Treffer – Versenkt. Viele Monate sind wir immer nur südwärts von Alaska bis hierher gefahren und am Ende liegt es dann doch irgendwie unverhofft vor einem - das Ziel dieser langen Reise. Ein bisschen sind wir auch stolz auf uns es geschafft zu haben – nicht jeder fährt mit einem fünf Monate alten Baby eine solche Route. Zur Feier des Tages haben wir uns unser erstes Hotelzimmer seit Monaten gegönnt. Wäre auch ganz entspannt gewesen, wenn Lo the Warrior King nicht die halbe Bude wie ein Rockstar auf Koks auseinandergenommen hätte. Abends, als der Dicke dann endlich schlief, standen wir am Fenster und schauten mit einem Glas Wein in der Hand runter in den Vorhof auf unseren Sprinter. Da stand er - die treue Seele, als wollte er uns sagen: Ich hab’s euch ja gesagt, wärt ihr mal besser bei mir geblieben. Und tatsächlich funktioniert unser täglicher Ablauf im Sprinter inzwischen einfach besser als in einem Hotelzimmer.


In Ushuaia haben wir auch Ronny und Tri, die wir zuletzt in Kolumbien gesehen hatten, und Fin und Lisa wieder getroffen und mit ersteren noch einen netten Abend verbracht. Obwohl Lo die beiden ein paar Monate nicht gesehen hat ist er mit ihnen auf Anhieb wieder Doppelklippo gewesen. Da waren Mama und Papa direkt mal raus.


Die weitere Taktik von Ushuaia aus wird der geordnete Rückzug sein, da es von nun an nur noch nordwärts bis nach Montevideo/Uruquay geht. Von dort werden wir unseren Sprinter wieder nach Hause einschiffen. Wir haben uns entschieden auf dem Weg nach Norden nicht den kürzesten Weg an der argentinischen Atlantikküste entlang zu nehmen, sondern auf einem Cargo Schiff von Puerto Natales nach Puerto Mont durch die patagonischen Fjorde mit zu fahren und anschließend noch die argentinischen Seen um Bariloche und San Martin de los Andes zu erobern. Klingt doch nach einem Plan...